Karatedo
Weg der leeren Hand
In den folgenden Ausführungen spreche ich von der Signifikation aus der Sprache und der Sache. Heute versteht man unter der Silbe Kara → leer und der Silbe Te → Hand. Die Silbe Do → Ort, Weg weist auf die geistigen Aspekte hin. In Zusammenhang mit dem eigentlichen Handwerk muss man ebenfalls von Karate Jutsu sprechen. Jutsu heisst als Oberbegriff Wissen, Können, auch Technik. Es gibt daher eine Unterteilung in zwei Gebiete, welche sehr stark miteinander verbunden sind, das heisst nicht unabhängig von einander betrachtet werden können:
Karate Jutsu das Wissen, das Können, die Technik der leeren Hand
Karate-Do der Weg der leeren Hand
In der Geschichte stellt man fest, dass das Zeichen kara früher die Bedeutung China trug, die Disziplin also China-Hand. Meister Gichin Funakoshi, der eigentliche Begründer des modernen Karate hat diese Bedeutung geändert, nachdem sich Karate in Japan etabliert hatte und er keinen Sinn mehr darin fand die Kampfkunst China-Hand zu nennen. Ein weiterer Grund ist auch, dass in der damaligen Zeit - Japan war mit China im Kriegszustand - die japanische Regierung alle chinesischen Begriffe in der eigenen Sprache verbot. Das Schriftzeichen ist aber geblieben.
Unter den beiden Begriffen Do und Jutsu stehen bezüglich Praxis und Übung des Karate-Do einige weitere wichtige Haupt-Themata.
Taiso, Junan Taiso → Gymnastik, Taihen → Bewegen, Kihon → Grundschule, Kumite → Kampf, Kampfübungen, Kata → Formen, Kuatsu → lebensrettende Massnahmen und begleitend über alle diese Begriffe Kenko - die gesundheitlichen Aspekte auch dieser Kampfkunst. Hier ist es heute leider so, dass in vielen Schulen diese Aspekte in Vergessenheit geraten sind und so auch nicht mehr gelehrt werden. In anderen stark verbreiteten Disziplinen wie zum Beispiel Judo und Ju Jutsu sieht das Bild auch nicht anders aus. Heutzutage zählen Dinge wie Wettkampf, Attraktion und in möglichst kurzer Zeit möglichst viel konsumieren sehr stark. Traditionelle und authentische Schulen wie sie die Meister Funakoshi, Egami und Murakami gelehrt haben, werden zuwenig mehr verstanden.
Die geistigen Aspekte gehen weit über die Technik hinaus. Meister Egami spricht in seinem Buch „The Heart of Karate-Do“ von dem was jenseits der Technik liegt. Die Kunst des Karate-Do ist keine Form der Selbstdarstellung. Sie ist Möglichkeit und Gelegenheit, sich zu erkennen und über das eigene Ego hinauszugehen. Die Kunst des Karate-Do als Kunst ist an und für sich ein ethischer Ansatz zur Konfliktlösung, dies daher, weil es eben eine Disziplin ist, bei der man das notwendige Selbstvertrauen entwickelt, um Feindseligkeit durch gewaltlose Mittel aufzuheben. Meister Funakoshi schreibt in seinem Buch „Karate-Do - Mein Weg“ vom kampflosen Sieg: „Den Feind kampflos zu besiegen, das ist die höchste Kunst.“
Im Karate-Do und allgemein im Budo - Sammelbegriff für alle Kampfkünste, Weg der Kampfkünste gibt es den Begriff Irimi, welcher sehr zentrale Bedeutung hat. Irimi und Irimi Yomi sind nicht nur das Erfassen des Momentes im Kampf sobald der Gegner aggressiv wird und handeln will, oder auch nicht nur voraussehen was geschehen wird, sondern deutet ebenso sehr stark auf die geistigen Hintergründe hin. Dazu ein Zitat aus einem Buch von Terence Webster-Doyle „Karate - Die Kunst des leeren Selbst“:
„Im Karate können wir angreifen oder angegriffen werden. Werden wir angegriffen, warten wir die Initiative des andern ab und gehen dann darauf ein, indem wir den Angriff abwehren oder ihm aus dem Weg gehen. Diese Aktionen gehören alle in den Bereich der Reaktion. Wir müssen uns des Angriffspotentials bewusst werden, und zwar noch bevor es sich im Bewusstsein des andern manifestiert, also noch bevor er sich selbst dessen bewusst wird. Wenn wir für dieses Agressionspotential ein hohes Mass an Sensibilität entwickeln, können wir verhindern, dass es überhaupt ins Bewusstsein gelangt. Das ist die höchste Kunst der Aussöhnung, denn zwischen den Menschen gab es ursprünglich keine Trennung.“
Aus anderen Zeiten gibt es andere Auffassungen des Kampfes, das heisst der oben angesprochenen Art der Konfliktlösung. Eine Aussage von Miyamoto Musashi, dem wohl berühmtesten Samurai aus dem 15. Jahrhundert, dem „Schwertheiligen“ lautet: „Wenn wir mit einem Feind die Schwerter kreuzen, dürfen wir uns keine Gedanken darüber machen, ob wir stark oder schwach sind. Wir sollten einzig und allein daran denken, ihn zu verletzen und zu töten.“